Die Entwiklung des bäuerlichen Rechts


Die Entwicklung des bäuerlichen Rechts

(Sämtliche Angaben sind aus dem Buch: „Der Bauer im heutigen Württemberg", von Theodor Knapp, entnommen.
Tübingen 1919

Was für uns heute als Selbstverständlichkeit erscheint, nämlich ein freier Bauer auf freier Scholle, war vor 200 Jahren noch ein Traum, dessen Verwirklichung für unmöglich gehalten wurde. Die heutige Generation macht sich kaum noch Gedanken über den mühseligen Weg des Bauern vom Leibeigenen zum freien Bauern. Die geschichtliche Entwicklung des bäuerlichen rechts verdient daher in die Ortschronik aufgenommen zu werden. Im ehemaligen Österreichisch= Schwaben war es viel öfter als wie im alten Württemberg der Fall, daß zwischen Landesherr und Untertan noch ein Dorfherr stand. In der Regel war der Dorfherr ein mitglied des hohen oder niederen Adels. In unserem Gebiet waren alle Gebiete vom Hause Österreich als Lehen oder Pfand vergeben unter Vorbehalt der Landeshoheit. So zum Beispiel auch die Grafschaft Kirchberg, zu der unser Dorf gehörte, die von Kaiser Maximilian I. an Jakob Fugger als Mannslehen verkauft wurde. In der Grafschaft befanden sich noch mehrere Ortsadelige. Der jeweilige regierende Graf besaß die hohe Gerichtsbarkeit, während der Ortsadelige die niedere Gerichtsbarkeit besaß. So z. bsp. in Schnürpflingen die Besserer. Unter der hohen Gerichtsbarkeit verstand man, daß die Herrschaft, etwa die Fugger, das Recht hatten, schwere Vergehen, z. bsp. die Verurteilung zum tode, aussprechen konnte. Der Dorfadelige hatte die niedere Gerichtsbarkeit, das heißt, er durfte nur bürgerliche Streitfälle und leichtere Vergehen richten.
Der Bauer dieser Zeit war ohne eigentliches Recht, der Willkür seines Herrn ausgesetzt. Die erste Bresche in diesem Zustand schlug das Untertanpatent Kaiser Joseph II. Dieses gab dem Untertanen das Recht, sich gegen seinen Herrn beim Oberamt, oder bei der Regierung und Kammer, oder sogar beim Kaiser zu beschweren. Ansonsten aber hatte der Adel noch alle Rechte.
Der Gerichtsherr hatte das Recht, die Richter oder mindestens den Vorsitzenden des Gerichts zu ernennen oder doch zu bestätigen und die Gerichtsgefälle, namentlich die Geldstrafen ganz oder teilweise zu beziehen. Je abhängiger die Gemeinde, desto umfassender ist, die Befehlsgewalt der Herrschaft. "Diese Befehlsgewalt, meist verbunden mit der mehr oder ,weniger ausgedehnten Gerichtsgewalt, zuweilen aber auch von ihr getrennt, wurde als Dorfherrschaft oder als Vogtei, der
Inhaber als Dorfherr, Vogtherr oder Vogt bezeichnet Häufig war auch der adelige Dorfherr zugleich Patron und hatte das Recht, Die Pfarrstelle zu besetzen. In Schnürpflingen ist der Patron der Kirche Graf Fugger.
Die Schulmeisterstellen wurden vielfach auch vom Dorfherren besetzt oder, was auf das gleiche herauskam, von dem Dorfgericht unter dem Vorsitz des herrschaftlichen Atmannes.

Das Fronen:

Die Untertanen waren verpflichtet, der Herrschaft Dienste Zu leisten. Es waren dies meist Abgaben oder Fronen. Die Abgaben waren in den einzelnen Herrschaften verschieden, teils hart, teils milde. Es kam auf die Person des Herren an. Was aber allgemein als hart empfunden wurde, war das Fronen, d. h. die Herrendienste. Es gab verschiedene Arten Z.Bsp. Zug= oder Fuhrfronen, auch Spann= und Mähndienste und Handfronen. Oft bestand eine Anordnung., die die Frondienste auf, eine bestimmte Anzahl von Tagen im Jahr, festsetzte, es gab aber auch , die sogenannten ungemessenen Fronen, d.h., der Herr konnte, jeden Tag; die Dienste seiner Bauern in Anspruch nehmen. Auch bei der Jagd hatte der Herr das Recht, die Dienste seiner Untertanen in Anspruch zu nehmen. Etwa die Stellung von Fuhrwerken, Treiberdienste etc.
Wir können uns gut vorstellen, daß das Fronen von jeher von, den Bauern als eine Last empfunden wurde und sie daher von frühester Zeit an versuchten, diese Last abzuschütteln, oder doch wenigstens zu mildern. So fanden wir schon im 16. Jahrhundert statt der Fronen die sogenannten Fron= oder Dienstgelder. (Siehe Chronik unter 1792) Dabei wußten die Herrschaften oft geschickt, ihre Vorteile wahrzunehmen.

Der Zehnten:


Die gleiche Last wie das Fronen war für jeden Grundstücksbesitzer der Zehnten. Das waren Abgaben, die er entweder an die Kirche, oder auch an weltliche Stellen zu entrichten hatte. In Schnürpflingen war der Zehnten in Besitz der Kirche. (Siehe unter 1435)
An erster Stelle stand der große Zehnten. Das waren alle Hauptfrüchte wie: Dinkel, Roggen, Hafer u.s.w.
Dann gab es noch den kleinen Zehnten. Das waren fast a11e Früchte, die im Topf gekocht wurden Z.Bsp. Erbsen, Linsen, Kraut, Rüben, aber auch Hanf und Flachs.
Zu erwähnen sind außerdem noch der Obst= und Heuzehnte. Beide standen oft unter dem kleinen Zehnten.
Ein wichtiger Zehnten war der Blutzehnten. Er betraf alle jungen tiere.
Woher stammt nun der Name Zehnten ? "Meist war den Zehntpflichtigen streng verboten ihre Früchte vom Feld wegzuführen, ehe der Zehnte erhoben war. Zuweilen hatten sie das Recht, ihn selbst auszuzählen, gewöhnlich aber war das Sache des herrschaftlichen Zehntknechts, der mit einer Stange auf das Feld kam, die Garben abzählte und jedes mal die Zehnte umstieß. Vom Getreide kam, dann der Name auf alle anderen Abgaben.

Bauer und Grundherr:


In den meisten Fällen war es so, daß der Bauer nur einen Teil des bebauten Grundes sein eigen nannte. Der übrige Teil, oft der größte, gehörte dem Herrn und dieser überließ ihn dem Bauer nur lehensweise. Der Bauer hatte dafür gegenüber seinem Grundherren gewisse Verpflichtungen. Sie bestanden in jährlichen Abgaben, die mit Früchten, Geflügel, Eiern, Wachs, Öl u.s.w. abgegolten wurden, manchmal auch mit Geld. Die Abgaben mußten zum Teil auf dem Gut des Pflichtigen abgegolten werden, insbesondere Geldzinse, die dann Gatterzins hießen, weil der abholende Bedienstete nicht den Hof betreten durfte, sondern sich den zins durchs Gatter= Gitter reichen lassen mußte. Eine besondere Abgabe an den Herrn war die Fastnachtshenne. Sie sollte den Bauern daran erinnern, daß er nicht Eigentümer des Grundstückes ist.
Ging das Gut an einen neuen Besitzer über, so merkte man erst recht die Abhängigkeit gegenüber dem Grundherren. Hier scheiden sich die Lehen in 2 Gruppen. In Erb= und Fallehen.
Das Erblehen war ein erblich verliehenes Gut. Starb der Bauer, so mußte sein Nachfolger sich neu belehnen lassen. Dabei mußte an den Grundherren eine Abgabe geleistet werden. Die Abgabe aus der Hinterlassenschaft eines Bauern wurde häufig der Fall genannt, genauer gesagt, der Güter= oder gutfall. Er konnte oft aus dem besten Pferd, oder der besten Kuh bestehen.
Die Fallehen hingegen waren von der Gnade des Herren abhängig. Starb nämlich der Bauer, so konnte der Herr das Gut einziehen und es an einen anderen Bauern übergeben. Übernahm es der Sohn des Bauern, so mußte er den Handlohn neu aushandeln.

Die Leibeigenschaft:

"Der Unterschied zwischen Grundherrschaft und Leibeigenschaft ist schon im Namen gegeben; die Grundherrschaft haftet am Boden, gleichviel wer ihn besitzt, die Leibeigenschaft haftet an der Person, gleichviel was sie besitzt."
Dem Leibherren standen nur ganz bestimmt begrenzte Rechte an dem Leibeigenen zu, und wenn er ihn verkaufte, vertauschte, verschenkte, was er allerdings konnte, so hieß dies nichts anderes, als daß er gerade di e Rechte die er bisher gehabt hatte, einem anderen abtrat. „Im Gegensatz zu Rußland, wo der Leibherr die volle Verfügungsgewalt über die Leibeigenen hatte.
"Die Leibeigenschaft war erblich und zwar ging sie nicht vom Vater, sondern von der Mutter auf sämtliche Kinder über."
Es war aber in besonderen Fällen ein Loskauf gestattet. Umgekehrt konnte aber auch ein Freigeborener leibeigen werden, nämlich durch freiwillige Ergebung. Dies geschah häufig in der
Absicht, von dem Leibherren ein Gut zum Lehen zu bekommen.
In der Regel mußte der Leibeigene dem Leibherren alljährlich eine kleine Abgabe leisten. Bei den Frauen, bestand die Leibabgabe, gewöhnlich in der Leibhenne. Das einträglichste Recht bestand in dem Anspruch an die Hinterlassenschaft des Leibeigenen. Dieses Recht beschrenkte sich jedoch im allgemeinen auf einen Teil des Vermögens des Leibeigenen. Die Leibeigenschaft bestand, von Ausnahmen abgesehen, bis in das 19. Jahrhundert. Sie war Gegenstand heftigster Angriffe, bis sie unter König Wilhelm I. aufgehoben wurde.

Die Bauernbefreiung:

Alle Einrichtungen wie sie bisher aufgeführt wurden, blieben bis zum Ausbruch der französischen Revolution 1789 bestehen. In Baden wurde die Leibeigenschaft schon 1783 von Markgraf Karl Friedrich aufgehoben. Der württemb. König Friedrich I. war nicht bauernfreundlich eingestellt. Aber sein Sohn Wilhelm I. war dafür um so bauernfreundlicher. Allerdings wurde auch unter seiner Zeit die Entlastung der Bauern durch das Hinzukommen der Gebiete Neuwürttembergs erschwert.
König Friedrich I. hob im Jahre 1809 die Patrimonialgerichtsbarkeit der fürstlichen, gräflichen und adeligen Gutsbesitzer auf. Bestehen blieb nur das Patronatrecht. Auch die Beseitigung der Leibeigenschaft wurde gegen den Wiederstand des Adels begonnen.
Im Jahre 1816 starb König Friedrich I. Sein Nachfolger Wilhelm I. betrachtete die Befreiung des Bauernstandes als seine vornehmste Aufgabe. Es kommt zu den 2 Edikten vom 18. Nov.1817
Im ersten Edikt wird die Leibeigenschaft mit Wirkung vom 01.01.1818 aufgehoben. Den Leibeigenschaftsherren muß eine einmalige Entschädigung gezahlt werden. Im 2. Edikt werden die
Fallehen aufgehoben. Den Fallehensbesitzern steht es frei, das Eigentumsrecht an ihrem bisher leibfälligen Gut zu erwerben. Außerdem werden gewisse Grundabgaben für ablösbar erklärt. Im Jahre 1836 erscheinen drei Gesetzentwürfe über die Umwandlung und Ablösung der Fronen, über die Entschädigung der berechtigten Gutsherrschaften für die aufgehobenen leibeigenschaftlichen Leistungen und über die Ablösung der Beden und anderer älterer Abgaben.
Der Adel wurde vom Staat entschädigt, während die Bauern ihre Ablösungsschulden in Jahresraten abzahlen durften.

Die Gesetze vom Jahre 1848 und 1849


Am 14. April 1848 unterzeichnete König Wilhelm I. das Gesetz betreffend die Beseitigung der auf dem Grund und Boden ruhenden Lasten. Das Ablösungskapital samt den 4% Zinsen konnte in Zeitrenten binnen einer längstens 25=jährigen Tilgungsfrist abgetragen werden.
Am 17. Juli 1849 folgt das wichtige Gesetz über die Ablösung der Zehnten. Der Gesamtbetrag der nach dem Zehntgesetz erlegten Ablösungssumme belief sich auf 48 Mill. Gulden. Insgesamt wurden mehr als 68 Mill. Gulden als Ablösungen gezahlt. Durch diese Gesetze wurden die Adeligen nicht nur materiell geschädigt, sondern noch viel mehr ideel. Die Grundlage ihrer Herrenstellung gegenüber den Bauern, die Grundherrschaft war vernichtet; kein Bauer nahm mehr sein Gut von ihnen zum Lehen, keiner ihnen mehr Abgaben zu zahlen.

© Gemeindeverwaltung Schnürpflingen • Hauptstraße 17 • 89194 Schnürpflingen • Tel. 07346/3664 • Fax 07346/3793 • info@schnuerpflingen.de